Ein Reporter im Krieg: Eugen Lennhoff - 13. Juni 2022

Er wird zwar nicht direkt mit dem Komitee “Pro India” in Verbindung gebracht, hatte aber für kurze Zeit intensiven Kontakt mit dem Zürcher Kreis um Erwin Briess und Chempakaraman Pillai: Die Rede ist von Eugen Lennhoff (1891-1944), einem jungen Schweizer deutsch-jüdischer Herkunft.

Die kurze Nachricht über die Zugehörigkeit Lennhoffs zum weiteren Kreis um “Pro India” verdanken wir Felix Falk, einem Zuträger der deutschen Gesandtschaft in Bern. Schon Anfang 1916 war ein Verdacht auf Briess gefallen, für die Engländer Spitzeldienste zu tätigen. Im September 1916 meldete Falk dem Militärattaché der Gesandtschaft, er selber habe vor dem Krieg mit Briess, Lennhoff, Bleibtreu und dem Inder Pillai regelmässig in einem “neben dem Odeon gelegenen” kleinen Café in Zürich verkehrt. Vermutlich, meinte Falk, könnte Lennhoff noch nähere Auskunft über Briess geben.

Liberaler Journalist

Wer war Eugen Lennhoff? Er kam als Sohn des Bankiers Oskar Lennhoff (*1857) und der Therese geb. Herz (*1861) am 24. März 1891 in Basel zur Welt. Zusammen mit seinem Bruder René (*1894) wuchs er in Zürich auf, wo die aus Preussen stammende Familie 1906 eingebürgert wurde. Bereits als 17-jähriger begann er in pazifistischen Zeitschriften zu publizieren. Im Juni 1913 beendete er seine Anstellung als Redaktor der Zürcher Zeitschrift Kinema . Der Film war ein Thema, das ihn mit Briess verband und um das sich die Diskussionen am Kaffeehaustisch vermutlich öfters drehten. Denn auch Bleibtreu widmete sich in Zeitschriftenartikeln ab und zu dem aufkommenden Kino.

Sein ganzes Leben lang blieb Lennhoff dem Journalismus treu. Nach Ausbruch des grossen Krieges heuerte er beim Ullstein-Verlag als Korrespondent für die in Berlin erscheinende, bürgerlich-liberale Vossische Zeitung an. In dieser Eigenschaft wurde er Mitglied des kaiserlich-königlichen Kriegspressequartiers, dem unter anderem so illustre Schreiber wie Egon Erwin Kisch, Stefan Zweig, Franz Kafka oder Robert Musil für kürzere oder längere Zeit angehörten.

Nach Kriegsende blieb er in Wien, wo sein Vater Oskar das Haus Böcklinstrasse 53 erworben hatte. Der Vater und die beiden Brüder Eugen und René liessen sich dort nieder. Eugen durchlief eine journalistische Karriere, parallel dazu trat er der Freimarer-Loge “Zukunft” bei und wurde bald zum Chefredaktor der Freimaurerzeitung ernannt.

Engagierter Freimaurer

Er engagierte sich auch international in der Freimaurer-Bewegung. Unter anderem leitete er die Zentralstelle der “Universellen Freimaurerliga”, welche ihre Wurzeln in der Esperanto-Bewegung hatte.


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Quelle: freimaurer-wiki.de

Überraschend zog er sich ab 1930 nach und nach aus allen Aspekten der Freimaurerei zurück. Trotzdem trat er im Oktober 1937 vor den Kongress der schweizerischen Freisinnig-demokratischen Partei, um gegen das von rechtsextremen Kreisen lancierte Freimaurer-Verbot zu kämpfen. “Eugen Lennhoff macht auf die krassen Widersprüche aufmerksam, die in den Anschuldigungen gegen die Freimaurer liegen und deren Unhaltbarkeit dartun”, berichtet die Neue Zürcher Zeitung am 25. Oktober 1937. “Können die Freimaurer, frägt er, zugleich Monarchen und Königsmörder, dem Grosskapital und den Sozialrevolutionären dienen oder sogar befehlen? Können sie gleichzeitig Hort der orthodoxen Protestanten und des extremsten Freidenkertums sein?”

Für diesen Auftritt hatte sich Lennhoff nicht nur als bürgerlich-liberaler Internationalist, sondern auch als intimer Kenner der Freimaurerei empfohlen. Er war Herausgeber des Freimaurer-Lexikons von 1932, welches in aktualisierter Form bis heute als Standardwerk gilt.

Eine BBC-Sendung für die Schweiz

Am 11. März 1938, dem Tag, an dem der österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg vor Hitler kapitulierte, floh Lennhoff aus Wien. Er ging zuerst nach Prag und von dort weiter nach London. Er wusste und machte es auch öffentlich, dass er als erklärter Liberaler und mit seiner jüdischen Abstammung seines Lebens in Wien nicht mehr sicher gewesen wäre.


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Werbung für eine Publikation Lennhoffs.
Quelle: The Observer, London, 26. November 1939

In London engagierte er sich für das Auslandsprogramm der BBC. Als Schweizer Bürger zeichnete er für den geplanten Schweiz-Service von BBC verantwortlich. Initiiert am 13. April 1941, wurde dieser keinen Monat später am 8. Mai wieder eingestellt. Carl Brinitzer, Leiter der Programmabteilung des deutschen Dienstes der BBC, stellt es in seinen Erinnerungen so dar, als ob der Schweizer Dienst gar nie zustande gekommen sei. Lennhoff habe mit einem englischen Mitarbeiter ein paar Probesendungen aufgenommen. “Da erfuhr die Schweizerische Eidgenossenschaft von den sinistren Plänen der BBC. Man wurde in Bern sehr deutlich. Wenn man auch nicht mit einer sofortigen Kriegserklärung drohte, so erklärte man doch, eine englische Sendung für die Schweiz müsse als Verletzung der Neutralität und als unfreundlicher Akt angesehen werden.” Das Foreign Office sei nervös geworden und habe die BBC veranlasst, auf die geplante Sendung zu verzichten.

Kritischer Beobachter

Wie dem auch sei, Lennhoff war künftig für die BBC tätig. Man habe ihn zuerst für den österreichischen Dienst arbeiten lassen, später habe er den englischen Dienst “London calling Europe” aufgezogen. Als dieser Dienst wider Erwarten ein Grosserfolg wurde, habe man Lennhoff – immer gemäss Brinitzer – ausgebootet und durch Engländer ersetzt, was diesem wortwörtlich das Herz gebrochen habe. Er starb am 19. Oktober 1944 in London, erst 53 Jahre alt, an einem Herzleiden.

Lennhoff war ein fast prototypischer Vertreter der liberalen deutschsprachigen Intelligenz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In eine wohlhabende Familie mit jüdischer Tradition hinein geboren, in allen deutschsprachigen Ländern zuhause, stand er im Ersten Weltkrieg eher auf Seiten der Zentralmächte. Doch war er zu sehr kritischer Europäer, um sich später von der Nazi-Ideologie verführen zu lassen. Dabei kam ihm sein Engagement in der internationalen Freimaurer-Bewegung zu Nutzen. Zudem realisierte er als wacher Beobachter sehr rasch, dass der Aufstieg der Nazis ihn aufgrund seiner jüdischen Herkunft direkt und persönlich bedrohte. Und es war in letzter Instanz die Aggressivität des nationalsozialistischen Deutschlands, die seinem Leben ein frühes Ende setzte.

Quellen

  • Brinitzer, Carl (1969). Hier spricht London. Von einem, der dabei war. Hamburg, Hoffman und Campe.
  • Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin
  • Bundesarchiv Bern, Dossier Eugen Lennhoff
  • Bundesarchiv Bern, Dossier British Broadcasting Corporation
  • Staatsarchiv Zürich, Regierungsratsentscheid betr. Einbürgerung
  • The Obserever, London
  • Vossische Zeitung, Berlin
  • Neue Zürcher Zeitung, Zürich
  • https://freimaurer-wiki.de/index.php/Eugen_Lennhoff (11.12.2020)